9 Monate Flüchtlingsarbeit - was soll ich sagen ?

Seit nun etwas mehr als 9 Monaten arbeite ich täglich mit Flüchtlingen zusammen und ich möchte euch dazu ein paar Dinge erzählen. Im März habe ich eine Bewerbung beim DRK abgegeben, weil ich zum Übergang eine Arbeit gesucht habe. Mir war zu dem Zeitpunkt egal was für eine Arbeit, die Hauptsache war, dass ich nicht zu Hause sitzen musste. Meine Tante arbeitete bereits seit einigen Monaten in einer Flüchtlingsunterkunft, allerdings in der Wäscherei, aber sie hatte nur positives zu berichten. Also gab ich meine Bewerbung ab und wartet auf Rückmeldung. 3 Tage konnte ich Abwarten, dann war die Ungeduld zu groß und ich habe einfach beim Chef vom DRK angerufen. Er war von meinem Engagement so angetan, dass ich 2 Stunden später direkt zu einem Vorstellungsgespräch kommen sollte. Also fuhr ich kurz darauf los und war Aufgeregt wie nie. Es wurde nicht viel erzählt, sondern wir sind zuerst in die ZASt ( Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber ) gefahren. Er hat mir meinen eventuellen neuen Arbeitsplatz gezeigt und die eventuell neuen Kollegen vorgestellt. Ich hatte einen Schock, aber ich lies mir vorerst nichts anmerken und lächelte freundlich. Die Umgebung ist für Leute wie uns wirklich schlimm. Alles sauber und gepflegt, aber dennoch so viele Menschen die auf engen Raum zusammen leben mussten. Die Ihre Schicksale und Geschichten miteinander teilten und versuchten das Beste aus allem zu machen. Ich wurde auch von den Asylbewerbern sofort sehr nett begrüßt und habe versucht meine Ängste abzustellen. Ängste? Wovor eigentlich? Vor Menschen wie Du und Ich ? Vor Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder anderen grausamen Dingen geflohen sind? Unsinn. Es sind Menschen. Egal woher Sie kommen, was Sie für eine Geschichte mit sich tragen oder wie Sie Aussehen. Ich dachte mir, dass wir (der Großteil) in so einer Situation selbst das Weite gesucht hätten. Darüber sollten viele wirklich einmal Nachdenken, bevor über diese Menschen geurteilt wird. Okay, zurück zum Thema. Ich hab also die eventuellen Kollegen und den Koordinator kennengelernt und dann ging es zurück in das Büro für die Vorstellungsrunde. Zwischenzeitlich sind noch ein paar Bewerber dazu gekommen. Es waren wohl um die 10. Ich habe meine Chance schwinden und mich schon mit einer Absage nach Hause fahren sehen. Aber ich blieb dran. Ich wollte das. Ich wollte den Leuten helfen. Sie in unsere Deutsche Kultur einführen, Ihnen Regeln, Pflichten aber auch Rechte erklären. Ihnen das Leben etwas Bunter gestalten und für Sie da sein. Ich war dann nach ewigem Warten endlich an der Reihe und musste die beiden Chefs also von mir Überzeugen. Es wurden viele Fragen gestellt, auf die Ich ohne groß zu Überlegen Antworten konnte. Vorher wurde aber gesagt, dass KEINER an diesem Tag eine Positive oder Negative Entscheidung hören wird. Okay, also noch mehr Gas geben und Überzeugen. Ich war gefühlt 3 Stunden im Gespräch und habe mich mit dem Chef super Verstanden. Er kannte meinen alten Arbeitgeber und hat ebenfalls schlechte Erfahrungen mit Ihm gemacht. Da hatte ich schon einmal einen Bonus. Dann wurde über mein Gehalt gesprochen. Was ich mir so Vorstelle. Gut, hab genau ins Grüne getroffen. Perfekt, bin happy. Nun war das Gespräch kurz vor dem Ende und der eine Chef schaute den anderen an. Beide Nickten. Sie gaben mir die Hand und hießen mich sofort Herzlich Willkommen. Jackpot! Ich hab den Job. Alle anderen mussten Bangen, also habe ich alles richtig gemacht. 2 Tage später war er da, der große Tag. Ich kam zur Arbeit und wusste absolut nicht was mich erwartet. Unser Aufenthaltsraum war ein Container, daneben stand eine Holzhütte, aus der wir Tee ausgegeben haben. Diese Arbeit hatten bereits 3 Asylbewerber dort übernommen. Tolle Menschen, an die ich heute noch oft zurück denke. Alle 3 waren fleißig, zuverlässig und vor allem aber pünktlich. Wir standen also da und warteten dass die Kinder und Erwachsenen kamen. Ich schaute mir alles erstmal an. Es wurde mit Bällen, Federbällen, Springseilen etc. gespielt. Was, das war's ? So soll ich mein Geld verdienen? Vorerst ja. Na okay, wenn das so ist, dann machen wir das mal so. Einmal am Tag gaben wir in einem Zelt Deutsch-Unterricht, damit die Bildung nicht zu kurz kam. Beim Ballspielen haben wir das Alphabet gelernt, die Zahlen, Gegenstände, Farben und Körperteile. Das klappte nach wenigen Tagen so super, dass wir immer weiter kamen. Die Kinder waren so unglaublich toll. Auch die Erwachsenen. Sie nahmen Müllsäcke, säuberten das Gelände, lernten ebenfalls fleißig Deutsch und achteten auf Ordnung. Dann wurde auf dem Gelände der ZASt ein kleines Gebäude fertiggestellt, welches für uns DRK-Mitarbeiter ist. Dort sollten eine Kinderschule / Kinderbetreuung und Erwachsenenschule / Aufenthaltsraum eingerichtet werden. Mittlerweile sind wir im Juli angekommen. Wo zieht die Zeit bitte hin? Die Menschen dort wechseln, einige dürfen bleiben, nachdem sie Ihre Geschichte erzählt haben und alles sorgfältig geprüft wurde, wurden Sie in die Landkreise Verteilt. Andere müssen wieder zurück in Ihre Heimat, weil sie kein Recht auf Asyl haben. Leute, die man im März kennengelernt hat kommen wieder, weil Sie Ihre Ausweise abholen dürfen, man sieht sich und fällt sich regelrecht in die Arme. Letztens war ich Sprachlos. Ich habe mit den Kindern gemalt und gebastelt, auf einmal rief jemand meinen Namen. Ich drehte mich um und musste wirklich 2 mal hinsehen.
3 Jungs, die uns im Juli verlassen haben standen vor mir. Super entwickelt, sprachen Unglaublich gut Deutsch und waren wie ausgewechselt. Ich bekomme bei dem Gedanken daran noch immer Gänsehaut. Also haben wir auch schon einiges richtig gemacht und Ihnen gezeigt wo es lang geht. Wir geben weiterhin täglich Unterricht für Kinder und auch für die Erwachsenen. Ich bin immer wieder Erstaunt, dass die Menschen auch wirklich regelmäßig da sind und uns quasi antreiben, wenn wir unseren Kaffee noch nicht ausgetrunken haben, dass es endlich losgehen soll. Ein Traum. Ich kann Basteln, Malen, Kreativ sein, Ball - und Brettspiele machen oder einfach nur rumblödeln und für die Kinder da sein. Am Wochenende wird auch mal ein kleiner Märchenmarathon gemacht. Da dürfen die Kinder sich 2 oder auch 3 Märchen Aussuchen und die schauen wir dann über den Tag verteilt. Natürlich mit Pausen und die Bildung wird dabei auch nicht vergessen. Wir wussten, dass die Arbeit nach dem Jahr vorbei sein kann, aber geglaubt hat niemand daran. Aber was soll ich sagen? Es ist vorbei. Am 28.02.2016 werden unsere Zelte abgebrochen und es wird geschlossen. Die ZASt an sich bleibt, aber die Soziale Betreuung wird von den Sozialarbeitern der ZASt übernommen, denn die Flüchtlingszahlen sinken. Vielleicht werden die Grenzen ja aber bis dahin doch wieder Geöffnet und wir können unsere Arbeit fortsetzen. Nein, nicht die Arbeit, sondern meinen Traumberuf. Ich hätte nie Gedacht dass ich mal so mit Kindern und Erwachsenen Arbeiten werde und nun liebe ich diesen Job. Über alles. Die Gewissheit dass es bald vorbei ist und wir nur noch wenige Wochen haben macht mich unendlich Traurig und es tut mir auch weh. Sehr. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Lassen wir uns Überraschen. Ich werde Berichten.

Bis dann, eure Jule.